Wwoofing in Raglan bei Liz & Warren

Nach unserer Coromandel-Etappe sind wir in Raglan gelandet, um unsere erste Wwoofing-Erfahrung zu sammeln. Für alle, die es noch nicht wissen: Wwoofing bedeutet ‚world wide opportunities on organic farms‘ und heißt praktisch übersetzt, dass wir für Unterkunft und Verpflegung arbeiten – nicht nur auf Farmen, sondern (sogar überwiegend) bei privaten Homegrowern. Im Internet gibt es eine extra Plattform für Neuseeland, auf der wir uns ein Profil erstellt haben. Hier können wir nach den sogennanten Wwoofing-Hosts suchen und mit ihnen Kontakt aufnehmen.

Liz und Warren haben uns schon vor einigen Monaten gefragt, ob wir zu ihnen kommen wollen. Da sind wir also nun! Wir kommen am Montag-Abend, dem 5. November, in Raglan an. Der Empfang ist, trotz einem ziemlichen Durcheinander, recht herzlich. Trotz dessen, dass im Haus eine ziemliche Unordnung herrscht, dürfen wir uns direkt wie Zuhause fühlen und bekommen Essen, das wir uns selbst machen können. Wahrscheinlich liegt diese Unordnung auch mit daran, dass Liz, die vor einigen Wochen vom Skateboard gefallen ist und sich das Handgelenk gebrochen hat, nicht mehr mit dem Haushalt hinterher kommt. Bei zwei kleinen Kindern, Sunny, 12 Jahre und Nia, 8 Jahre, die am Wochendende auch noch eine große Geburtstagsfete gefeiert hat und dem Hund Boston, der aufs Sofa darf und die Essensreste vom Teller (direkt!!!) bekommt, ist das eigentlich auch nicht allzu verwunderlich. Nicht zu vergessen: Pauline, Liz’s Mutter, wohnt direkt nebenan und kommt oft zu Besuch.

Wir bekommen ein rieeeesiges Zimmer mit eigenem Bad, Küche und Balkon und können sogar ein bisschen das Meer sehen. Wir wissen garnicht, was das beste daran ist, denn wir können wieder jederzeit warm duschen, haben ein richtiges Bett und einen Stromanschluss, um an Bob weiter zu bauen.

Wir arbeiten hier 4 Stunden am Tag 7 Tage die Woche, mal für Liz und mal mit Pauline. Dazu zählt vor allem Haus- und Gartenarbeit. Außerdem helfen wir Liz bei ihrer Steampunk-Kunst und basteln fleißig Hüte. Wir arbeiten meistens von 9-12 und bereiten danach für eine Stunde das Mittagessen vor. Den Nachmittag über haben wir frei und können mit den Fahrrädern die Gegend erkunden oder mit den Kajaks umherpaddeln. Um 17Uhr machen wir wieder Essen, diesmal nicht nur für Liz und uns, sondern für die komplette Familie.

Die Familie

Warren, den lustigen, aufmerksamen und gutmütigen Familenvater, sehen wir leider nur selten. Er arbeitet 6 Tage die Woche und kommt meistens erst nach 18 Uhr, oft nicht mal rechtzeitig zum Abendessen, nach hause. Trotzdem muss er sich noch um das Geschirr kümmern (manchmal schafft er das nichtmal mehr), Eis servieren und sein Elektroauto in die Stadt zum laden fahren. Er tut uns irgendwie leid, ist aber trotzdem immer gut drauf und beschwert sich nicht – nur manchmal über Liz, dass sie etwas unorgansiert ist.

Nia und Sunny sind vormittags in der Schule und werden gegen 15 Uhr von Liz abgeholt. Danach sieht man Nia eigentlich nur auf dem Sofa mit dem iPad vor laufendem Fernseher – manchmal hat sie Besuch, mit dem sie im Garten und auf dem Trampolin spielt. Sunny sieht man quasi nicht, man hört ihn nur: Er sitzt im Wohnzimmer in der Ecke an zwei Laptops, auf dem einen spielt er Ballerspiele, über den anderen jauchzt, johlt und flucht er durch ein Headset mit seinen Mitspielern in einer Telefonkonferenz. Eigentlich passt das nicht so richtig zu ihm – er ist ein Klassenüberspringer, total aufmerksam, freundlich, intelligent. Wir vermuten, dass er irgendwie unterfordert ist. Oder ist exzessives computerballerspielespielen heutzutage normal? Wir wundern uns über so manche Erziehungsgrundlagen – wir werden alt…

Pauline ist voll und ganz Künstlerin, das merken wir aber nicht sofort. Was wir aber sofort spüren, ist ihre lockere, unbeschwerte Art – wenn wir für sie in ihrem Garten „arbeiten“, zählen die 90 Minuten, die wir teetrinkend, singend und enkaustizierend in ihrem Wohnzimmer verbringe, mit zur Arbeitszeit – genauso wie das Abwarten des leichten Regens. Als wir ihr auf Wunsch ‚Oh Tannebaum‘ singen, zeigen sich erste Tränen, die sich nach „Can’t help falling in love“ deutlich ihren Weg nach außen bahnen. Wir helfen ihr gerne dabei, ihre Fitbit-Fitnessuhr mit ihrem Handy zu synchronisieren und haben sehr viel Spaß.

Liz gibt uns neben verschiedensten Aufgaben auch einige Tipps zur Umgebung und empfiehlt uns einen nur 5Minuten entfernten Recyclinghof, auf dem wir uns nach günstigen, nützlichen Sachen umsehen können. Mit diesem Tipp trifft sie genau ins schwarze, denn seitdem wir in NZ sind, sind wir schon auf der Suche nach einem solchen Platz! Wir, besonders Svea, decken uns hier mit neuen Klamotten ein und kaufen neue Musikboxen für Bob, die wir am selben Tag noch einbauen. Ansonsten haben wir ein bisschen das Gefühl, nicht für voll genommen zu werden. Wir können nicht genau sagen, woran das liegt, fühlen uns beide aber nicht wirklich herzlich willkommen. Villeicht ist das auch eine Strategie – guter Warren, gute Pauline, strenge Liz. Oder wir sind einfach verwöhnt von Alison?

Dass wir nicht beide mindestens 5kg abnehmen und Bozo überhaupt noch irgendwas auf den Rippen hat, grenzt übrigens an ein Wunder, denn Liz scheint irgendwie andere Portionsgrößen im Kopf zu haben. Da wir beim Essen machen helfen oder es teilweise auch komplett selbst zuberiten, packen wir hier und da schon immer etwas mehr auf die Teller. Ganz zu Beginn fragt Liz uns, was wir normalerwise essen und wir bekommen unsere Haferflocken und Rosinen. Bozo dazu noch Milch und Svea sogar Mandelmilch, welche dann natürlich beide nach ein paar Tagen (Bozo hat sich seiene wirklich lange aufgespart!) leer sind. Mit der nächsten Einkaufslieferung bekommt Bozo eine neue Milch, Svea keine. Liz scheint irgendwie nicht daran zu denken, dass Svea keine normale Milch mit Lactose trinken kann und gibt uns auch nicht das Gefühl, dass es in Ordnung ist was und wieviel wir essen. Bester Kommentar an Bozo als die Familie inklusive einer weiteren Milchpackung nach Hause kommt: „Help yourself with the milk – we have plenty of it!“, was soviel heißt wie „Nimm dir Milch, wir haben viel davon!“.

Am Freitag mittag fahren Warren, Liz und die Kids nach Thames zu einem Steampunkfestival, auf dem Liz ihre verschiedenen verrückten Dinge verkaufen will – unter anderem unsere Hüte (stolz!). Bis Sonntag abend gehört das Haus also allein uns und dem die Familie vermissenden Boston. Wir fühlen uns geehrt, dass uns so viel Vertrauen geschenkt wird, außerdem können wir endlich mal wieder richtig Essen. Zwei dieser drei Tage haben wir uns freigearbeitet, indem wir dafür zwei andere Tage nicht nur von 9-12, sondern auch von 13-16 Uhr arbeiten. Freitag gehört Bob – basteln. Boston ist uns dabei ein stetiger Begleiter. Sonnabend Kayak, Pauline Fitbit, Boston guckt immer traurig. Sonntag arbeit oder so ähnlich – Markt. Hier will noch formuliert werden.

Trotz dessen, dass wir uns nicht vollkommen wohl und herzlich aufgenommen fühlen, was man auch daran sieht, dass Bozo noch immer Leon heißt, ist das Wwoofen alles in Allem eine tolle Erfahrung und wir nehmen viel für uns mit! Wir machen uns nicht nur über die verschiedenen Verhaltensweisen und Arten mit anderen Menschen umzugehen Gedanken, sondern auch über die Do`s and Don`ts in der Kindererziehung.

Anhang: An unserem Abreisetag, an dem wir zuerst Warren herzlich verabschieden der zur Arbeit fährt, können wir nicht mal den Kindern richtig Tschüss sagen, weil diese ohne Kommentar von Liz an uns vorbei zum Schulbus gejagt werden. An diesem Tag gehen wir surfen, denn es sind endlich mal gute Wellen. Wie vorher abgesprochen, wollen wir unsere Sachen solange im Haus lassen, wiederkommen, duschen und um 12Uhr Mittags weiter reisen. Unser Zimmer haben wir schon vorher mehr sauber gemacht als es jemals war. Als wir das Haus zum Surfen gehen verlassen wollen, fragt Liz uns, ob wir all unsere Sachen aus dem Zimmer geräumt haben und ob alles fertig ist. Als wir ihr sagen, dass bis auf die Dusche alles erledigt ist, welche wir sauber machen wenn wir zurück kommen, entgegnet sie nur: „Wieso? Am Strand sind doch auch Duschen!“. Als Svea ihr sagt, dass diese jedoch nur kalt sind (was sie eigentlich wissen müsste, denn sie geht selbst surfen) und wir gerne noch einmal das Salzwasser richtig abduschen wollen bevor wir einige Tage reisen und nicht duschen können, stimmt sie gezwungenermaßen zu. Aber nicht, ohne eine böse Miene zu verziehen. Nach dem Surfen wollen wir hier einfach nur weg. Die einzige, die uns nach Warren noch wirklich nett verabschiedet ist Pauline. Sie kommt extra noch einmal vorbei, nimmt uns in den Arm und wünscht uns eine gute Reise mit vielen tollen Erlebnissen.

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